Projektvertrieb: So erhöhen Sie Umsatz, Auslastung und Vorhersagbarkeit
Im Projektvertrieb sitzen sehr erfahrene Projektleiter und das ist gut so. Diese erfahrenen Profis sind oft der bewährte „Kummerkasten“ ihrer Kunden und zugleich „Feuerwehr“ für alle internen Rückfragen, für die sich sonst keiner im Unternehmen zuständig fühlt.
Im Ergebnis sind sie also sehr beschäftigt. Das ist dann schade, wenn deshalb der aktive Vertrieb hinten runter fällt. Dann lebt das Unternehmen vom „nicht vermeidbaren Umsatz“, den eingehenden Anfragen. Damit Umsatz und Auslastung vorherzusagen und zu steuern, ist schwer. Was eine traurige Situation.
Hier lesen Sie, mit welchen Maßnahmen Sie einen aktiven Projektvertrieb aufbauen. Eine fokussierte Vertriebsmaschine, die richtige Anfragen identifiziert und sie mit minimaler Durchlaufzeit zu Aufträgen macht. Wie Sie einen glasklaren Prozess installieren, der Umsätze und Auslastung frühzeitig prognostizieren hilft. Ein Projektvertrieb, der Ihr Risiko reduziert.
Der typische Projektvertrieb
Wann immer wir in ein Unternehmen kommen, ist der Vertrieb vollbeschäftigt. Gleichwohl erleben wir in vielen Unternehmen, dass die Vertriebsleute — im Projektgeschäft „Projektleiter“ genannt — selten und in der Regel nicht kontinuierlich aktive Akquise neuer Kunden und Projekte betreiben können. Die Gründe sind einfach: Es ist viel anderes zu tun. Was immer…
- ein Kunde für ein Anliegen hat und er besprechen möchte
- an Neuanfrage hereinkommt
- es für die Auftragsklärung einer Anfrage zu tun gibt
- intern im Unternehmen Abklärung oder Rückfragen bedarf
- mit Abnahme, Versand, Terminmanagement und dem Bestimmungsort zu tun hat
… geht mit allen weiteren Fragezeichen direkt an die Projektleiter. Wenn der Umsatz wachsen soll, werden neue Projektleiter eingestellt. Da die Aufgaben so vielfältig sind, braucht es viel Erfahrungswissen. Es dauert lange, bis die richtigen Leute gefunden, ausgebildet und umsatzwirksam sind. Und sind sie dann endlich umsatzwirksam, bleibt auch ihnen wegen der vielfältigen Aufgaben nur wenig reine Akquisezeit, um aus einer passenden Anfrage einen Auftrag zu machen. Willkommen im Projektvertrieb.
Die nachfolgenden Schritte beschreiben einen Weg, wie Sie die Produktivität Ihres Vertriebs deutlich steigern können.
1. „Durchlaufzeit“ wird zum Vertriebsziel
Umsatzpotenzial und Kapazitätsbedarf einer Neuanfrage lassen sich im Projektgeschäft oft erst im Laufe des Vertriebsprozesses einschätzen. Die zunehmende Komplexität von Neuanfragen wirkt auf die Durchlaufzeit von Anfragen. Es dauert länger und länger, bis eine Anfrage zum Auftrag wird. Vor diesem Hintergrund lohnt es sich, die Durchlaufzeit der Anfragenbearbeitung ins Visier zu nehmen. Je schneller ihre Bearbeitung, desto früher können Sie das Potenzial von Umsatz und Produktionsauslastung einschätzen.
Konzentrieren Sie sich auf die Durchlaufzeit und beginnen Sie zunächst damit, künftig für jede Anfrage das Eingangs- und Abschlussdatum im Projektvertrieb zu messen.
2. Beuteschema bestimmen
Der Vertrieb einer Sonderanlage funktioniert anders als der Vertrieb von Serviceleistungen. Und der Direktvertrieb stellt andere Anforderungen, als der Kanalvertrieb, der indirekte Vertrieb über Vertriebspartner. Bestimmen Sie deshalb zunächst, auf welche Erlösart, sprich: für welche Leistung und welches Vertriebsmodell der Vertrieb optimal vorbereitet wird. Nennen wir diese Selektion Ihr „Beuteschema“.
Verfügt Ihr Unternehmen über mehrere Leistungs- bzw. Erlösarten, entscheiden Sie nach dem römischen Prinzip „teile und herrsche“. Konzentrieren Sie sich zunächst auf eine Leistungs-/Erlösart. Ein Schritt nach dem andern.
3. Interne Schnittstellen klären
In unserer Welt hat der Vertrieb die Verantwortung, Aufträge aus Anfragen zu machen. Wo kommen die Anfragen her? Diese Verantwortung trägt das Marketing. Wir unterscheiden nach „Lead Generation“ = Marketing und „Lead Conversion“ = Vertrieb.
Bestimmen Sie also in diesem Schritt den Arbeitsbereich des Vertriebs und seine internen Schnittstellen:
- Die Input-Schnittstelle: Welche Informationen muss eine Anfrage genau umfassen, damit der Vertrieb mit der Bearbeitung beginnen kann, und …
- die Output-Schnittstelle: Welche Informationen muss ein Auftrag genau umfassen, damit die Projektorganisation den Auftrag vom Vertrieb übernehmen kann.
An dieser Stelle wird klar, dass die Voraussetzung für die Definition der internen Schnittstellen ein klares Beuteschema ist. Denn verschiedene Beute wird unterschiedlich gejagt. Der Vertrieb kann in Konsequenz nur Anfragen bearbeiten, die zum Beuteschema passen. Gleiches gilt für die Output-Schnittstelle: Der Auftrag muss alle Informationen erhalten, welche die nachfolgende Abteilung des Vertriebs für ihre Arbeit braucht. Diese Ecke ist oft kritisch. Sichtbar wird das an der Anzahl der Rückfragen der Konstruktion, wenn sie vom Vertrieb den Auftrag erhält.
4. Anfragen schneller bearbeiten
Die Bearbeitungsdauer einer Anfrage ist umso länger, je mehr Anfragen gleichzeitig bearbeitet werden. Soll die Durchlaufzeit von Anfragen minimal sein, dann müssen die Anzahl der zur Bearbeitung freigegebenen Anfragen und die Kapazitäten im Vertrieb zueinander passen.
Setzen Sie sich also mit Ihren Kollegen im Vertrieb zusammen und sehen Sie sich alle aktuellen Anfragen durch. Unterteilen Sie die Anfragen nach der gefühlten Auftragswahrscheinlichkeit. Konzentrieren Sie sich zunächst nur auf die Hochprozenter (die Anfragen mit hoher Auftragswahrscheinlichkeit). Stellen Sie sicher, dass diese Anfragen schnellstmöglich bearbeitet werden. Alles andere lassen Sie liegen. Und beginnen Sie erst dann mit der Bearbeitung einer neuen Anfrage, wenn eine andere Anfrage abgeschlossen oder disqualifiziert ist.
Abgeschlossen meint hier, dass die Anfrage zum Auftrag wurde. Disqualifiziert meint, dass der Auftrag nicht zustande kommt. Diese Regel hat einen Nebeneffekt. Jede Vertriebsphase hat ein Verfalldatum. Ihre „Lebenszeit“ ist begrenzt. Ist eine Anfrage am Ende der Lebenszeit nicht für die nächste Vertriebsphase qualifiziert, gilt sie als disqualifiziert und macht Platz für die Bearbeitung einer neuen Anfrage. Sie können davon ausgehen, dass sich die Vertriebskapazität durch eine Limitierung erhöht. Das beschleunigt ungemein.
5. Vertriebsbaukasten aufbauen
Neuanfragen sind im Projektgeschäft von Seiten des Kunden im Regelfall nicht so vollständig und schlüssig vorbereitet, dass Sie ohne Rückfrage zur Angebotsstellung in der Lage sind. Darüber hinaus wissen Sie aus Erfahrung, dass Sie einige Anfragen nur „pro forma“ erhalten. Vertriebsaufgabe ist es zunächst, die ernst zu nehmenden Anfragen von den „Touristen“ zu trennen. In Konsequenz fragt der Vertrieb nach einem Lastenheft. So werden niedrig qualifizierte Anfragen oft schnell disqualifiziert. Auf der anderen Seite: sendet Ihnen der Kunde sein Lastenheft zu, müssen Sie sich de facto damit beschäftigen. Effizienter ist es für Sie, wenn Sie im Unternehmen einen eigenen Standard (= Vertriebsbaukasten) nutzen, mit dem sich die Anfrage des Kunden kategorisieren lässt.
Ergebnis ist, dass Sie künftig sehr schnell aus dem Vertriebsbaukasten anbieten können. Ist darüber hinaus Individualisierung bzw. technische Auftragsklärung gefragt, enthält Ihr Vertriebsbaukasten auch dafür gute Angebotspositionen: Für die Auftragsklärung. Damit unterstützt der Vertriebsbaukasten die bezahlte technische Auftragsklärung. Der Kunde muss früher eine Entscheidung treffen. So identifizieren Sie „Touristen“.
6. Einheitliche Vertriebsabläufe
Üblicherweise verfolgen die Projektleiter im Vertrieb die von ihnen bearbeiteten Anfragen selbständig. Auch wenn es Standards gibt, erleben wir doch häufig unterschiedliche Bearbeitung, Klärung, Beschreibungen, Kalkulationen, Angebote usw.
Dokumentieren Sie den Lebenszyklus einer Anfrage für das gewählte Vertriebsmodell durch Flussdiagramme. Für die Prozessbeschreibung sind Swimlane-Diagramme eine gute Möglichkeit. Beschreiben Sie auch die Zuständigkeiten der beteiligten Bearbeiter, gelangen Sie recht schnell zum nächsten Schritt, dem „taktischen Reifemodell“.
7. Das „taktische Reifemodell“ definieren
Das taktische Reifemodell beschreibt den Reifungsprozess einer in das Unternehmen neu eintretenden Anfrage. Die verschiedenen Reifestufen stehen für die Informationen, die der Vertrieb benötigt, damit die Anfrage als passend qualifiziert wird und weiter im Vertrieb bleiben darf.
Vielleicht hilft der Vergleich mit dem morgendlichen Ablauf nach dem Aufwachen. Machen Sie ihre Kinder fertig für die Schule: Zuerst geht es ins Bad, dann Frühstück, Zähne, Bekleidung bis zu Schal und Mantel im Winter. Erst mit vollständiger Ausrüstung ist Ihr Kind für den Bus bereit. Haben Sie an einer Stufe etwas vergessen, geht es nicht weiter zum nächsten Schritt. Und wenn Sie nicht rechtzeitig weiter kommen, ist der Bus weg und Ihr Kind muss „vor lauter Frust“ wieder zurück ins Bett.
OK — wenn das Kind in der Pubertät ist, bekommt das „den-Bus-verpassen“ vielleicht eine Dynamik und einen Charme, den Sie nicht wirklich wollen. Schlechtes Beispiel?
So oder so: Der Vorteil des taktischen Reifemodell ist, dass jede Anfrage hinsichtlich ihrer Reifestufe genau identifiziert werden kann. Es wird vollkommen klar, was in der aktuellen Stufe zu erreichen ist. Und es wird sichtbar, wo wieviele Anfragen im Reifeprozess hängen bleiben. Das Reifemodell ist die Voraussetzung für Vorhersagbarkeit im Vertrieb, d.h. Prognose mit sehr hoher Genauigkeit. Um beim Beispiel oben zu bleiben: Bringen Sie die Anfragen zeitig „zum Bus“! Hier geht es zum Beitrag. Weiterlesen ›
8. „taktische Gespräche“ messen
Das taktische Reifemodell hilft dabei, passende Anfragen schnellstmöglich zu entdecken. Auf der anderen Seite ist es eine wunderbare Möglichkeit, nicht passende Anfragen schnellstmöglich zu disqualifizieren. So bleibt mehr wertvolle Vertriebszeit für passende Anfragen. Aufgabe dieser Phase ist die Erfassung und Messung der Kundengespräche, mit denen der Projektleiter die Anfrage in die nächste Reifestufe „entwickeln“ möchte. Und es geht um die Maximierung der Projektleiter-Zeit für genau diese taktischen Gespräche.
9. Interne Abläufe beschleunigen
Vertriebsbaukasten, Vertriebsprozesse und Reifemodell unterstützen den Vertrieb mehr und mehr bei der Systematisierung. Die Beschleunigung der Vertriebsabläufe soll alle Vertriebsprozesse rund um die taktischen Gespräche so schnell wie möglich machen und in der Zentrale des Unternehmens zusammenfassen. Nennen wir es das „interne Kundenzentrum“.
IT-Systeme und Prozessdokumente werden optimiert und alle bislang beschriebenen Prozesse durch geeignete Hilfsmittel bestmöglich unterstützt. Dazu gehört auch, dass Nebenprozesse wie z.B. Serviceanfragen oder typische cross-selling Potenziale vom „internen Kundenzentrum“ erledigt werden können, ohne dass es die Projektleiter braucht. So können die Projektleiter von der technischen Detailklärung Zug um Zug entlastet werden.
10. Projektleiter von der Verwaltung befreien
Das „interne Kundenzentrum“ übernimmt die zentrale Wellness-Aufgabe für die Projektleiter. Für sie werden Vertriebs-Koordinatoren installiert, die ihnen dabei helfen, sich ausschließlich auf taktische Gespräche zu konzentrieren. Der Vertriebskoordinator ist nach jedem taktischen Gespräch informiert und sorgt für taggenaue Dokumentation des Reifegrades jeder Anfrage. Darüber hinaus wird jeder Termin der Projektleiter zentral koordiniert.
Das Ergebnis ist beeindruckend: aktive Zeit und Anzahl der taktischen Gespräche steigen erheblich und die Durchlaufzeit der Anfragen sinkt rapide.
Fazit
Der klassische Projektvertrieb belastet die Projektleiter oft mit vielen Tätigkeiten. In Konsequenz bleibt wenig Zeit für „taktische Gespräche“ und die Bearbeitung von Anfragen dauert länger als nötig. Wenn Sie die Durchlaufzeit neuer Anfragen minimieren wollen, konzentrieren Sie sich auf einen zentralen Engpass: die Zeit, welche die Projektleiter im Vertrieb für „taktische Gespräche“ investieren. Die Zeit, mit der Ihre teuersten und wertvollsten Ressourcen im Vertrieb den Umsatz aktiv vorantreiben können.